Themenfeld
Transnationale Wissenstransfers und akademische Kooperationen
Wissens- und Wissenschaftsgeschichte wird international zunehmend in transnationaler Perspektive neu und vertiefend erforscht. Diesem Trend entsprechen Untersuchungen jener grenzüberschreitender Transfers und Austauschbeziehungen in der Wissensproduktion und -zirkulation des östlichen Europa, die in besonderem Maße von globalen Bezügen geprägt sind. In den Analysen von ausgewählten Teilbereichen der Geschichts-, Gesellschafts-, Wirtschafts- und Naturwissenschaften werden ideen-, sozial- und institutionenbezogene Ansätze mit Fragestellungen aus der transnationalen und Globalgeschichte verbunden.
Drei Dimensionen stehen dabei im Mittelpunkt: (1) die Zirkulation und Rezeption von Wissen aus dem östlichen Europa; (2) Wissen über die Region jenseits ihrer Grenzen sowie (3) transregionale und internationale Kooperationen, die Wissenschaftler*innen aus der Region aufbau(t)en bzw. mitgestalt(et)en. Ziel ist ein Verständnis des östlichen Europa als ein hochgradig verflochtener und weltweit prägender Wissens-Raum, verbunden mit Reflexionen darüber, wie Osteuropa in den Geschichts-, Sozial-, Regional- und Kulturwissenschaften als Region bis heute konstruiert wird.
Forschungsthemen
Außenhandelstheorie und -politik im Staatssozialismus
Untersucht wird die Verbindung zwischen Wissensproduktion und Wissensadaption auf dem Feld der Ökonomie in den Ländern des Ostblocks. Im Fokus stehen Debatten über die Funktion des Außenhandels bei der Entwicklung eines »sozialistischen Weltsystems« und die daraus abgeleiteten konkreten Reformversuche im östlichen Europa.
Die imperiale Bedeutungszuschreibung zentralasiatischer Sozialräume
Das Projekt rekonstruiert geografische Vorstellungen von Sozialräumen in Reiseberichten über Zentralasien für das Russische Reich und deren Transformation von 1839 bis 1905. Dabei wird eine Vielzahl von Kommunikationsebenen berücksichtigt, wie zum Beispiel die Beziehungen zwischen den Autor*innen und Verleger*innen, die Motivationen für die Reisen und die Netzwerke der Autor*innen.
Eine Epidemie im Kontext des Krieges und der Nachkriegszeit: Die »Spanische Grippe«
Im Projekt wird die Ausbreitung der Spanischen Grippe in Belgien und Polen vergleichend untersucht. Ziel der Forschung ist es einerseits zu rekonstruieren, wie die Spanische Grippe in die beiden unter deutscher Herrschaft stehenden Gebiete eindrang und sich dort ausbreitete. Verlauf, Ausmaß und Folgen der Pandemie werden mit qualitativen und quantitativen Methoden analysiert. Andererseits wird untersucht, wie die Epidemie wahrgenommen und bekämpft wurde.
Eiszeitforschung und Vogelkunde
Mit dem Ziel, die Geschichte der Erforschung von unbelebter und belebter Natur im östlichen Europa mit der Kulturgeschichte der Region zu verbinden, richten sich die wissenschaftshistorischen Forschungen vor allem auf transnationale Verflechtungen in der Glazialgeologie und der Ornithologie.
Gesellschaftswissenschaften und Sozialismus in der Welt
Wie die Gesellschaftswissenschaften der sozialistischen Länder Osteuropas im Kalten Krieg auf die sich wandelnden Nord-Süd-Beziehungen reagierten, steht im Fokus der Forschungen. Untersucht werden osteuropäische Akteure und Institutionen der Entwicklungs-Forschung sowie die internationale Zirkulation ihrer Konzepte und Analysen, vor allem in den wissenschaftlichen Netzwerken der UNESCO.
Historiographiegeschichten
In der Geschichte der Historiographien des östlichen Europa ist gegenwärtig ein Trend zur (Re)Nationalisierung beobachtbar. Dagegen die langen Traditionen grenzüberschreitenden Austausches von Historiker*innen aus der Region zu rekonstruieren sowie zugleich auf deren rege Beschäftigung mit der Geschichte der Welt zu verweisen, ist Ziel der Forschungen.