Illustration aus Dante Alighieris Göttlicher Komödie

Freigeist-Nachwuchsforschungsgruppe

The Dantean Anomaly (1309-1321). Rapid Climate Change and Late Medieval Europe in a Global Perspective

Die Verwüstung durch die größte transeuropäische Hungersnot des vergangenen Jahrtausends, die sogenannte Great Famine (1315-1321), war Teil einer Periode rapiden Klimawandels, der als »Dante-Anomalie« bezeichnet worden ist. Das gleichnamige Freigeist-Projekt untersucht die 1310er Jahre als tipping point von der mittelalterlichen Warmzeit hin zur Kleinen Eiszeit für Oberitalien, Südostfrankreich und Ostmitteleuropa. Diese aus klimahistorischer Perspektive kaum erforschten Regionen bieten eine Vielzahl fiskalischer, administrativer und narrativer Quellen zur Untersuchung an. Dabei geht es im Projekt nicht nur um die Rekonstruktion meteorologischer Extremereignisse und ihres sozio-ökonomischen Impacts, sondern auch um Vulnerabilität und Resilienz der betroffenen Gesellschaften. Diese reagierten je nach ökonomischen und politischen Vorbedingungen sehr unterschiedlich. Jenseits der historischen Forschung im engeren Sinn integrieren alle drei Fallstudien naturwissenschaftliche Daten

Das Freigeist-Projekt zur »Dante-Anomalie« kann so zeigen, dass historischer Klimawandel unter Einbezug geisteswissenschaftlicher Forschung sehr viel besser rekonstruiert und in seinen gesellschaftlichen Konsequenzen verstanden werden kann. Außerdem eröffnet das Projekt eine größere Perspektive: Transregionale Vergleiche erhellen die Bedeutung natürlicher Faktoren in der »Krise des 14. Jahrhunderts«; die Ergebnisse der drei europäischen Teilprojekte werden perspektivisch mit ähnlichen Forschungen zum Nahen Osten und Ostasien verglichen – damit zeigt sich eine globale Dimension der spätmittelalterlichen Klimaverschlechterung, die auch außereuropäische Gesellschaften vor je eigene Herausforderungen stellte. Das Freigeist-Projekt kann so zu einer Pionierstudie einer globalen Umweltgeschichte der Vormoderne werden.

Die Nachwuchsforschungsgruppe »The Dantean Anomaly« arbeitet unter Leitung des Klimahistorikers Martin Bauch an drei Teilprojekten. Der Vergleich dreier Regionen komplettiert das gesamteuropäische Panorama zu Klimawandel und »Großer Hungersnot« der Zeit und legt die kulturellen Muster offen, die ausschlaggebend sein könnten für die Anfälligkeit spätmittelalterlicher Europäerinnen und Europäer gegenüber einer rapiden Klimaverschlechterung.

Martin Bauch untersucht die Interaktion von meteorologischen Extremereignisse und Adaptionsprozessen im Hinblick auf politische Prozesse, Institutionen und Infrastrukturen r Nord- und Mitteleuropa in den Jahren 1309-1321.

Undine Ott erforscht die Klimageschichte des Nahen Osten im 13. und 14. Jahrhundert: außergewöhnliche Wetterereignisse und deren soziale, wirtschaftliche und politische Auswirkungen.

Annabell Engel beschäftigt sich mit Mitteleuropa östlich des Rheins bis ins heutige Polen und Tschechien. Neben den erzählenden Quellen stehen vor allem Urkunden, Rechnungsbücher und Inschriften im Fokus der Untersuchung.